SelphyMelody

Samina · @SelphyMelody

17th Apr 2021 from TwitLonger

Selphy & Samina König - Musik, Synchron & Hass


Kleiner Thread bezüglich Samina König (hey that’s me) als Synchronsprecherin. Ich bekomme hier und da mal zu neuen Veröffentlichungen meiner Rollen (private) Nachrichten zum Thema Hass auf verschiedenen Plattformen (ofc auch Anime2You, kein Geheimnis). Das wollte ich jetzt auch mal hier öffentlich ansprechen. Jaja don’t feed the troll blabla, bei einem so präsenten Thema würde ich mich genauso albern fühlen, es nicht einmal öffentlich angesprochen zu haben, vor allem weil es auch in Zukunft mit meinen noch kommenden Rollen nicht aufhören wird. Außerdem hasse ich es, die Klappe zu halten. Ich rede nun mal gern und viel und bin sehr stolz. Tja. Habt ihr davon.

Ich lese seit Längerem keine Online-Kommentare zu meinen Rollen, weil es anfangs bei mir auf ein so verletzendes Unverständnis stieß. Wieso erhielt gerade >>ich<< für jede kleinste Rolle Missgunst und so viel Hass? Wieso geht es in einer vollen veröffentlichten Castliste selbst bei meinen kleinen Nebenrollen nur um >Frau König<? Ich mag es übrigens so angesprochen zu werden. Klingt mächtig. Versucht es vielleicht auch mit “die Königin” oder gleich “Eure Majestät”. Wäre nice. Vielleicht lese ich dann auch wieder selbst die Kommentare.

Beginnen wir (fast) von vorne:
Ich habe vor einigen Jahren angefangen musikalisch aktiv zu werden und deutsche Coverversionen von Animesongs zu produzieren - was ich mittlerweile zu meinem Beruf machte. Musik ist durch eine Sache, die ich liebe, meine Hauptbeschäftigung geworden und mittlerweile darf ich sogar an einem eigenen Album arbeiten.
Während der Schauspielausbildung habe ich angefangen, auf Twitch zu streamen - ich war eine der wenigen auf der Schule, die sich die Ausbildung selbst und nicht durch Mamas & Papas Bonzen-Konto finanziert haben. “Eine der wenigen” sage ich, weil ich - wie viele wissen - Begriffe wie “keiner” und “jeder” nicht mag. In Wahrheit fällt mir aber vor Allem in meinem Semester gerade niemand ein, der keine finanzielle Unterstützung durch seine Eltern erhielt. Ist ein Klischee, trifft aber auf viele Schüler an einer privaten Schule zu. Mir fällt auch kaum wer aus Bayern ein, der kein Bier trinkt. Abgesehen von Frau König.

Größtenteils habe ich mir Wohnung & monatliche Kosten durchs Kellnern finanziert - da ist man nämlich gar nicht so unterbezahlt wie viele denken :^)
Zuschauer von damals wissen, wie hart es für mich war. Vor allem Freitags hatte ich 24h-Tage, nur um mir die Ausbildung zu finanzieren. Das bedeutete: ich stand um 5 bis 6 Uhr morgens auf, ging in die Schauspielschule, kam um 15 Uhr heim, war um 16-17 Uhr auf der Arbeit an und kam um 6-7 Uhr morgens wieder nach Hause. Conans unter euch werden merken “damn aber das sind ja mehr als 12h Arbeit”, dazu kurz und knapp: ja, richtig gerechnet. Nein, es gab keine Pausen. Ja, das ist eigentlich strafbar. Nein, niemand wurde angezeigt. Ja, ich hab’s fürs Geld getan. Mir wurde sogar mal was von einem Kollegen ins Getränk gekippt, weshalb ich frühzeitig nach Hause musste. Falls irgendjemand sich hier beim Lesen fragt, ob ich gerade lüge: Noch nie in der Gastro gearbeitet?! LMAO

Irgendwann während der Schauspielausbildung, während ich manchmal für simple Komparserie-Jobs, kleine Modelsachen, Workshops und Bühnen-Stuff rumgedümpelt bin, hab ich bemerkt, dass das zwar “okay” ist, mich aber nicht so erfüllt. Damit ihr euch das vorstellen könnt: es war wie ein Schokobon. Ich mag die Dinger. Wenn jemand von euch mir einen geben würde, würde ich ihn essen. Aber ich würde nicht selbstständig in den Edeka gehen und mir extra welche davon kaufen. Sie hypen mich einfach nicht. Und ich möchte keinen Beruf ausüben, der mich nicht hypen kann. Bühne ist cool. Camera Acting ist cool. Aber halt nur das - “cool”. Meine Dozenten haben mich darin bestärkt, als ich for fun Sprachdemos aufnahm, und mir sogar 2-3 Studios empfohlen, bei denen ich mich mal melden sollte. Damit fing es dann im Prinzip an.

Dass Sprechen “mein Ding” ist, habe ich erst bemerkt, als ich das erste Mal in 2016 bei Studio Hamburg vorm Mikro stand und hinterher eine Probeaufführung für ein Theaterstück hatte - war ein krasser Kontrast für mich. Mann, das war echt nice vorm Mikro. Also was habe ich getan? Mich aufs Sprechen fokussiert! Klare Sache!
Aktiv damit angefangen habe ich erst 2019 - zum einen weil es oft furchtbar lange dauert, ohne Vitamin B einzusteigen, zum anderen, weil toxische Beziehung, die mich zurückhielt, blabla. Kennen viele hier schon. Für diejenigen, die die Story nicht kennen: tl;dr endete 2019 mit Polizei. Und beinahe wären sie Freund & Helfer gewesen.

Die Zeitspanne zwischen Bewerbung, Vorstellung und dem ersten Job ist teilweise sehr groß - auch ohne Corona. Als Beispiel - Ich habe mich 2018 bei einem Studio beworben, bei dem ich dann Dezember 2019 und Mitte 2020 gewisse Charaktere für Riot sprechen durfte. Es hängt oft nicht mal vom Können ab (da du auch als [fertig ausgebildeter] Schauspielschüler absolut keinen Plan von Synchron und 0 Berufserfahrung hast und eh x tolle Sprecher pro Tag Bewerbungen schreiben), sondern vom Glück. Wird zwischen den 20 Bewerbungs-Mails, die dieser Aufnahmeleiter täglich bekommt, gerade >deine< gelesen? Vielleicht. 20 ist hierbei übrigens keine Übertreibung, sondern eine feste Zahl, die mir der Aufnahmeleiter eines Studios einmal genannt hatte. Es gibt Studios mit 10 Aufnahmeleitern oder so. Vielleicht schmeißt er auch alle in den Müll. Who knows. Erinnert sich der Aufnahmeleiter bei der Besetzung zwischen all den Bewerbungen und bestehenden Sprecher-Kontakten gerade an dich - die Königin? Who knows. Passt ihm der Name Samina? Der Name Tobias? Eine Phonetik-Dozentin von mir hat sich ab einem bestimmten Zeitpunkt mit anderem Namen vorgestellt, da sie ansonsten von Aufnahmeleitern als "Ausländer, der wohl eh kein Deutsch kann" eingestuft wurde, obwohl er sie nicht mal gehört hatte. Wirkt "Viele Grüße" eigentlich künstlich (ja, tut es)? Will der Aufnahmeleiter dieser Person gerade eine Chance im Business geben? Ist die Mail nett geschrieben? Liest er sie überhaupt? Ist fast wie Glücksspiel, nur mit geringerer Chance auf den Jackpot.

Aktiv gesprochen im Synchron habe ich dann ab 2019 - ganz normaler, relativ Vitamin-B-loser, langweiliger Sprecher-Weg, der mit ganz, ganz viel Ensemble begann. Jedes Mal wenn ich eigene Solo-Sätze im Ensemble erhielt, habe ich versucht zu glänzen, um dem Regisseur aufzufallen, um eventuell irgendwann einmal eine kleine Rolle mit 10 bis 20 eigenen Takes zu erhalten. Ein Traum für mich. Und irgendwann kam es so. Yannik Raiss war einer der ersten Regisseure, die mir die Chance dafür gaben. Ist übrigens ein irre geiler Regisseur, der unheimlich viel Mühe in seine Arbeiten steckt. Da das größtenteils Weebs hier lesen - er macht viele Animeproduktionen. Bestimmt kennt ihr was, an dem er beteiligt war.

Oh wowzers, meine ersten kleinen Rollen im zweistelligen Take-Bereich. Absolut poggers. Damit ihr euch das vorstellen könnt, Almaria in der ersten Folge von WorldEnd hatte ungefähr 20 Takes. Glaub ich. Vielleicht auch nur 12. Ihr wisst nicht, wer das ist? Richtig, so klein ist die Rolle.
Und durch die ersten kleinen Rollen fiel ich dann schneller mal auf - Und hier fing es an, wirklich genial zu werden - für mich, nicht für Hater im Internet - die wussten aber eh noch nichts von mir, auch in Animeproduktionen. Regisseure haben mich öfter bei Ensemble-Aufnahmen bemerkt und dann einfach mal auf Rollen ausprobiert - ganz normaler Werdegang als Sprecher eigentlich. Würde man meinen.

Doch dann verschwand der Avatar und alles änderte sich. Er verschwand wirklich - mein Online-Avatar. Und auf einmal standen Selphius und Samina in Verbindung, irgendwann 2020. Und auf einmal wurden meine kleine Rollen zum Problem - und ich verstand erst nicht wieso. Obwohl mich keine Sau im Tonstudio kannte, waren meine Followerzahlen auf einmal ein Angriffspunkt für jede noch so kleine Rolle. Wie kann es eigentlich sein, dass die Königin hier schon wieder 20 Takes sprechen darf? Dann auch noch Hauptrollen?! Unverständlich. Unfair. Andere Sprecher--- naja, die dürfen das auch, aber … aber es geht hier um die Königin!!

Ein kleines, kleines Detail, das so manche selbst ernannten Animu-Mango-Synchron-Experten im Internet nicht ganz wissen, ist: zunächst existiert da ein Aufnahmeleiter. Und ein Regisseur. Und jetzt haltet euch fest: die besetzen Leute auf Rollen. Schreck - das sind ja gar nicht alles die Publisher. Je nach Produktion passiert es auch, dass rein nach Vorstellungen der Aufnahmeleiter oder Regisseure eine ganze Besetzungsliste angefertigt wird. Diese wird dann beim Publisher eingereicht und manchmal nur lediglich abgesegnet. Es kann auch zu Wünschen seitens des Publishers kommen, vor allem bei großen Rollen oder wie in jüngsten Ereignissen in einem gewissen Anime - bei Promi-/Promo-Besetzungen. Ich rede hier btw größtenteils fast nur über Hamburger Produktionen, weil ich in Berlin noch nicht mal ein Küken bin - ich bin noch nicht mal bereit, zu schlüpfen. Ich pick noch an der Schale rum.

Jedenfalls: der jüngste Screen, der mir ins Postfach flog, war 1) ich würde zu viel besetzt werden und 2) es sei unfair, dass ich Hauptrollen sprechen dürfte. Nun gut. Gehen wir darauf ein.

Zu Punkt Nummer 1) ich kann es kaum glauben, dass ich überhaupt über diesen Punkt sprechen muss, aber ich nehm hier mal zwei junge Beispiele: Appare-Ranman! und Dumbbells. Da wir uns hier im Internet befinden, nehme ich die SynchronKartei als Maßstab. Ich befinde mich als Nebenrolle in einem Cast zwischen Kollegen mit 200 bis fast 1000 Rolleneinträgen. Hier mit meinen schlappen 30 Rollen/Einträgen überbesetzt genannt zu werden, ist … mir fällt kein Adjektiv ein. Lustig? Es ist wohl etwas lustig. Ja, doch.

Nummer 2) Dumbbells - hier sind Kollegen im Hauptcast dabei, die ebenso viele/wenige Einträge bei der SynchronKartei vorweisen können wie ich, zusammen mit Kollegen mit Einträgen im dreistelligen Bereich.

Es wird euch nicht schwer fallen abzuschätzen, wer allein in diesen beiden Serien das schwerwiegende Problem zu sein scheint. It’s me. Ja.
Gestern hat mich das erste Mal ein Sprecher im Tonstudio in München anhand meines Namens erkannt. Das allererste Mal. Das war so ungewohnt. Das war echt schön. Ich kannte niemanden und niemand kannte mich und auf einmal kennt jemand meinen Namen. Wow.

Ich weiß nicht, wieso es unfair ist, wenn die Königin die Rolle im Casting gewinnt, wenn das bei anderen Sprechern nicht der Fall zu sein scheint. Spoiler: Es ist nicht unfair. Es hat gar nichts mit Fairness zu tun. Es geht darum, wer am besten auf diese Rolle passt nach der Meinung des Aufnahmeleiter, der Regie und/oder des Kundens. Scheißegal, ob die Person schon 20, 50, 100 oder 1000 Rollen gesprochen hat. In so manchen Fällen gab es beim Hauptcast direkt Vorschläge vom Publisher und ich kam als Vorschlag seitens Aufnahmeleitung noch mit hinzu.

Dass der Name “Selphius” Leute blenden würde, war mir klar, irgendwo. Dennoch war es schon krass zu sehen, wie sehr sich ein paar wenige tatsächlich daran festbeißen, dass ich nicht nur Musik mache und etwas streame, sondern eben auch als Sprecherin aktiv bin. Dass jeglicher Schritt, den Samina erreichen würde, aufgrund von “Selphius” groß gemacht und gleichermaßen kleingeredet werden würde, war echt eine Sache, die ich nach dem Leak erst mal verarbeiten musste. Dass selbst kleine, unbedeutende Rollen für Leute in der Diskussion auf verschiedenen Plattformen der Hauptaspekt einer Synchron-Produktion sein würden, war komisch für mich. Daran musste ich mich erst mal gewöhnen.
Ich habe auch vor allem am Anfang (also nach meinem Leak von Name & Aussehen) oft direkt nach Rollenankündigungen rassistische DMs erhalten. Bei einem gewissen Teil des Hasses weiß ich also auch, woher der Wind weht.

Aber wisst ihr was? Nein, ich werde nicht weniger arbeiten, nicht weniger erfolgreich sein, mich nicht weniger bei Studios vorstellen, nicht weniger Rollen sprechen, nur damit irgendwelche Weebs im Internet sich 5% weniger durch meine Existenz gestört fühlen. Denn das würden sie sowieso. Wenn, dann geb ich mir noch viel mehr Mühe, damit es umso mehr triggert.
Ich gebe mir genauso viel Mühe wie viele andere (Newcomer-)Kollegen auch - und das werde ich auch weiterhin.

Ohhh übrigens: auch ein Thema, was ich zusätzlich ansprechen wollte - euer Hass gegen irgendwelche Sprecher, die früher mal Fandubs gemacht haben, ist unheimlich gruselig mit anzusehen. Da gibt es auch ein paar Namen, die hier und da allein deshalb auf den Deckel bekommen - ich glaube auch, dass das von Leuten aus der Fandub-Community stammt (da ich damit aber nie viel zu tun hatte, weiß ich das nicht genau). Was interessiert es euch, ob ein Sprecher vorher Fandubs vertonte, Briefmarken sammelte oder Vollkornbrötchen gebacken hat?
Es gibt sogar etablierte Sprecher, die vertuschen wollen, dass sie so etwas jemals in der Richtung gemacht haben. Wer will denn schon aus Spaß Brötchen für seine Freunde backen, wenn er es hinterher professionell tut?! Was sollen denn die Kunden denken?

Am Ende entscheidet die Performance, dein Können - aber darum geht es in solchen Diskussionen ja eh nie. Also ist das eher ein unbedeutendes Argument.

TL;DR Leute sind obsessed with me und können ihr Maul nicht halten (ich auch nicht), aber ich werde weiterhin geil und erfolgreich sein.

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