Mein innerer Zwiespalt. #muenchen #zdf


Vor einer Woche, als die Welt Kopf stand wegen des Putschversuchs in der Türkei, habe ich auf Twitter Folgendes geschrieben. "An Tagen wie diesen weiß man wieder, wozu Social Media gut ist. Dank an alle, die uns auch über Twitter und Co auf dem Laufenden halten."

Wer auf Twitter und Facebook oft Unterirdisches zu lesen bekommt, dem wurde an diesem Tag wieder klar, wozu es diese Kanäle vor allem gibt: Austausch und Information. Die Schnelligkeit ist beeindruckend, die Vielfalt der News auch, aber sie ist auch gefährlich.

Das haben wir nun an München gesehen. Etliche Falschmeldungen, die die Polizei Zeit und Manpower gekostet und die zudem die Bürger der Stadt München noch mehr verunsichert haben. Dass einige Menschen Fotos von Opfern veröffentlicht und Fakebilder in Umlauf gebracht haben, und das, obwohl die Polizei München eindringlich zur Besonnenheit aufgerufen und uns gleichzeitig wirklich gut informiert hat, lässt mich sprachlos zurück.

Daher steht in meinem Tweet ein "AUCH". Danach hagelte es Häme. "Die Zwangsgebühren-Sender sind ein Armutszeugnis". Man kann darüber diskutieren, ob das ZDF noch ausführlicher über den Putschversuch vom vergangenen Freitag hätte berichten müssen. Das ist aber heute nicht mein Thema. (Deshalb hier Artikel von #ClausKleber – Süddeutsche Zeitung: http://www.sueddeutsche.de/medien/claus-kleber-ueber-fernsehjournalismus-was-tun-wenns-brennt-1.3090346 )

Was ich sagen will: es gibt für mich kein entweder TV oder soziale Netzwerke mehr. Ich nutze beides. Parallel. Das ist der Mehrwert, den wir in Deutschland haben. Das ist die Medienvielfalt, die wir brauchen.Aber in einer Welt, in der sich die Ereignisse überschlagen, in der wir real in Verfolgungsjagden und Schießereien eintauchen können, in der jeder veröffentlichen kann, was er will, ist es um so wichtiger, dass es vor allem die Journalisten auf den klassischen Kanälen sind, die die Spreu vom Weizen trennen. Wir sind die, die uns ständig hinterfragen müssen. Was sollen wir wirklich zeigen? Können wir die Bilder einordnen, gibt es eine Bestätigung der Informationen, helfen wir den Terroristen, wenn wir über Strategien sprechen, schüren wir Verunsicherung? etc..

Ich kann den Impuls "ich will sofort alles wissen" verstehen. Mir geht es auch so. Als mich die erste Eilmeldung aus München erreichte, habe ich sofort den Fernseher angemacht. Es war noch nichts zu sehen. Der News-Junkie in mir war enttäuscht, der Newsmacher in mir dachte, richtig so.

Wie ergeht es Ihnen in solchen Situationen, die uns fast tagtäglich ereilen und entsetzen? Auf der einen Seite wollen viele sofort ein "heute-Spezial" und wenn es keines gibt, sind alle entrüstet, unterstellen uns Verschleierung, Unfähigkeit, Lahmarschigkeit und vieles mehr. Aber wenn wir dann zeitnah eine Sondersendung auf die Beine stellen, wir aber kaum etwas melden können, uns also hauptsächlich mit Spekulationen und Einschätzungen befassen und eine Schleife nach der anderen drehen, sind Sie genau so entrüstet. Also was nun?

Ich kann den Ruf nach Information, Orientierung und Einordnung verstehen, aber wir müssen nun mal sichten, überprüfen, hinterfragen und vieles andere vorbereiten, bevor wir On-Air gehen können. Haben wir den richtigen Gesprächspartner? Seriös? Kenntnisreich? Das kostet Zeit. Die müssen wir "analogen Journalisten" uns nehmen, denn wir sind in keinem Wettlauf mit den sozialen Medien. Facebook, Twitter und Co sind ein Mehrwert, eine Ergänzung, nennen Sie sie es wie Sie wollen, aber sie ersetzen nicht die Hintergrundberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die, das muss man auch wieder sagen, gestern auch nicht immer und überall gut verlief. Sicherlich ist vieles in Nachrichtensendungen zur Pose erstarrt. Manches wird gemacht, weil es immer schon so gemacht wurde. Uns allen stehen mittlerweile ganz andere technische Möglichkeiten zur Verfügung. Wenn sich schon Erdogan via Facetime an die Fernsehzuschauer wendet, dann sollte es auch bei uns mal klingeln.

Mein Satz des Tages kam vom Münchener Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins. Auf die Frage eines Journalisten, was die Polizei denn nun machen wird, kam eine schlichte Antwort: "Wir machen unsern Job".

Und den, das war wirklich auffällig, haben die Beamten, Einsatzkräfte, das Socialmedia-Team der Polizei, die Bürger, die ihre Hilfe angeboten haben, Stand heute, beeindruckend gut gemacht.

Das Entsetzen nach Nizza, Türkei, Würzburg und München ist groß. Die Gedanken sind bei den Hinterbliebenen der Opfer und den Angehörigen der Verletzen. Sie können von uns Journalisten jetzt genau das Gleiche erwarten, was der Polizeisprecher gestern nonstop getan hat.

Saubere, sachliche, anständige, unaufgeregte und zurückhaltende Arbeit. Unbestätigtes als solches benennen, aber dabei auch niemanden in falscher Sicherheit wiegen.

dh

Reply · Report Post