#anonymität versus #echtnamen? Die diskussion zur frage,ob wer im www mit echtnamen oder pseudonym unterwegs ist, erinnert mich stark an jene rund um das coming-out. vielleicht ein umweg, mir scheint er nicht zu weit.

Es ist schon etwas her, seit ich, auch im www, beschlossen habe gesicht zu zeigen. voran gegangen war eine unangenehme geschichte von cybermobbing und stalking, die sich unweigerlich mit meinem sonst öffentlichwen und offenem engagement vermischte. oder kurz und knapp: mein pseudonym wurde gegen mich ausgespielt, es wurde behauptet ich verstecke mich, treibe eine doppeltes spiel. das ziel war unübersehbar: mein wirken und sein im "RL" zu desavouieren. es gipfelte gar im versuch mir zu unterstellen ich würde, getarnt hinter meinem nickname, fremd-outing betreiben. fatale unterstellung an jemand, der nach aussen fürsprache macht, gesicht zeigt und zugleich das vertrauen vieler menschen geniesst, welche anonym bleiben wollen.
ich entschied meinen nickname aufzugeben, foren zu verlassen, in denen ich anonym anonymen usern zum thema hiv zur seite stand. ein schwerer schritt. aber ich wollte möglichst keine hand mehr zu bieten. zumindest sah ich keine andere möglichkeit, als mit offenem visir hinzustehen und die diffamierenden damit lügen zu strafen.

manchmal vermisse ich meinen nickname, noch heute. nur die emailadresse erinnert noch daran.

im "RL" stand ich mehr als einmal vor der frage betreffend coming-out.meine antwort für mein leben habe ich unlängst versucht zu verargumentieren. die frage stellt sich mir persönlich nicht mehr.
ich habe sie aber auch öfters laut gestellt und andiskutiert im gesellschaftlichen sinn, im zusammenhang mit stigmaarbeit, ent-diskriminierung und gesellschaftspolitischen veränderungswünschen.

nach dem motto, wie soll sich was ändern, wenn sich alle verstecken? gesichtslos wird empathie kaum geweckt und anonym-integriert klingt auch nicht nach dem, was ich mir unter einem miteinander vorstelle.
und wo bleibt die glaubwürdigkeit?
sollen denn andere für uns einstehen, davon profitieren gar, dass anonymität schutz bietet? schutz wovor? vor den eigenen ängsten oder vor realen konsequenzen?

zugegeben, kurze momente der lust auch mal einen vip zu outen, hatte ich still und heimlich. weil leadership so wichtig wäre. was bedeutet denn schon eine frau meyer, wenn es in politik und showbuisness gewichtigeres gäbe? aber, das sind wunschträume und ein absolutes tabu. daran halte ich mich. das beispiel von nadja benaissa zeigt, wie erpressbar menschen sind, welche auf x-welchem roten teppich als projektionsfläche dienen.

in persönlichen gesprächen und begegnungen habe ich die individuellen entscheidungen für oder gegen ein coming-out nie in frage gestellt. es ist selbstverständlich, dass dies jedeR für sich entscheiden soll-muss-darf.
jeder lebensentwurf liefert argumente für oder gegen das eine oder andere. einzig, was ich immer wieder versuche, ist mut zu machen. meine erfahrungen mitzuteilen, damit dem schwergewicht angst vor diskriminierung etwas entgegensteht.

was mich aber immer wieder auf die palme brachte und noch manchesmal bringt, sind aussagen dazu, die nach ausreden klingen. wenn allgemein-aussagen für persönliche entscheidungen herhalten, während dahinter bloss bequemlichkeit und feigheit aufblitzt. oder wenn mir mitgeteilt wird: "du hast es leicht, hast ja nichts zu verlieren, aber ich, ich stehe im berufsleben und darum kann ich mich nicht outen", dann werde ich schon mal wütend. ich bin seit 17j vom arbeitsmarkt aussortiert. warum wohl?
oder wenn behauptet wird, keine beziehung, keine sex haben zu können, ohne den eigen status zu verheimlichen. dann lache ich auch mal frech und frage: meinst du ich hätte auf sex verzichten müssen, weil ich offen mit HIV lebe? fehlanzeige. aber total.

wahr ist, im bereich HIV/AIDS habe ich keine arbeit bekommen, weil meine infektion und mein vorlautes einstehen für unsere rechte bekannt ist. da ist "professionelle distanz" überbewertet. zumindest in der schweiz. (allerdings auch nur unter bestimmten vorzeichen, sprich, gute positive eignen sich sehr wohl. und dazu werde ich nicht gerechnet. aber das ist eine andere geschichte.)

trotzdem etwas wichtiges noch dazu:
ein aha-erlebnis der besonderen art, hatte ich erst vor rund einem jahr; in einem gespräch mit einem menschen,der seinen beruf und sein politisches wirken nutzt um diskriminierung zu bekämpfen. dieser mensch stellt seinen persönlichen kontext hinter sein wirken. er lebt ein doppelleben, um ernst genommen zu werden. das ist verrückt aber wahr. die last des geheimnisses hat dabei eine ganz andere funktion, als wenn jemand aus pers. ängsten heraus, die gesellschaftspolitische stimmung verantwortlich macht für sein/ihr versteckspiel.
ich persönlich verneige mich vor dieser leistung. eine gratwanderung die ihren zoll fordert.

meine haltung hat sich über die jahre gefestigt. das coming-out ist eine individuelle entscheidung, die niemand niemandem abnehmen kann und soll.

anonymität im www irritiert mich nicht. jedenfalls nicht prinzipiell. schnelles urteilen hingegen schon.
denn: die motivation anonym zu bleiben,kann mensch ja gerne jeweils versuchen zu erfragen, vielleicht wird es dann verständlich und die "persönlichkeit" schimmert durch die anonymität, samt ihrer verletzlichkeit und stärke!

anonymität kann schützen.
glaubwürdigkeit hängt nicht an einem namen. authenzität auch nicht.
ärgerlich, oder störend, wird sie für mein empfinden dann, wenn sie unfassbarkeit zelebriert, und zwar nicht als person sondern indem inhaltlich verschleiert und getrickst wird. dann wäre ich bei meinem verständnis vom troll gelandet...

und um nochmals zu anonymität und schutz zu kommen- zum schluss ein deftiges beispiel: nicht jedermann/jedefrau ist bereit gegen neonazis auszusagen, ohne nachher nicht mindest haarfarbe und wohnadresse zu ändern. und manchmal hilft auch das nichts mehr.
in dem sinn: jedem das seine.
cc @MadMenNa




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