#Tostedt - Mütter wollen neue Kita verhindern - Mithilfe eines Bürgerbegehrens soll der geplante Neubau einer Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße in Tostedt gestoppt werden.

Dass geplante Neubauten den Protest von Anwohnern nachsichziehen, ist nicht neu. Aber dass sich ausgerechnet Mütter gegen den Bau eines Kindergartens wehren, ist schon bemerkenswert.

Nadja Weippert, 29, Tamara Boos-Wagner, 51 und Renate Weiß, 65, aus Tostedt wollen die geplante Kindertagesstätte in ihrem Ort verhindern und haben jetzt ein Bürgerbegehren initiiert. In erster Linie geht es ihnen um den auserwählten Standort. Die Samtgemeinde Tostedt hat in ihrer Ratssitzung im September beschlossen, für 2,5 Millionen Euro eine neue Kita an der Dieckhofstraße mit 30 Krippenplätzen und 60 Plätzen für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren zu bauen. Die Kita soll zwischen dem Fluss Töste, dem Jugendzentrum und der Turnhalle der Grundschule Dieckhofstraße stehen - dort, wo jetzt Jugendliche vom Jugendzentrum bolzen, wo Kinder auf dem Spielplatz toben und Bürger den "Stegen"-Weg nutzen, um von der Dieckhofstraße zum Sande zu gelangen.

Vor allem Nadja Weippert müsste sich eigentlich über den Neubau freuen. Von den drei Frauen wohnt sie als einzige an der Dieckhofstraße und hat einen Sohn im Kindergartenalter. Für ihren Zweijährigen wäre die Kita dann nur wenige Meter entfernt. Doch so bequem das wäre - sie möchte ihren Sohn lieber zur Kita weiter entfernt fahren als den Neubau in Kauf zu nehmen. Sie und ihre Mitstreiterinnen befürchten ein Verkehrschaos auf der engen Straße und Gefährdungen auf dem Gehweg.

Was die Frauen aber besonders in Gefahr sehen, ist der historische Ortskern, "die letzte attraktive Stelle Tostedts", wie sie es formulieren. Für sie ist der Platz, wo der Neubau entstehen soll, so etwas wie die grüne Lunge Tostedts mit historischer Kulisse. Denn Kopfsteinpflaster, rote Klinkerbauten wie die alte Brennerei und die Kneipe Dieckhof sind charakteristisch für die Straße. "Das ganze Bild dieses Ortskerns geht kaputt, wenn die Kita dahin kommt", sagt Renate Weiß.

Stattdessen schlagen die drei vor, die neue Kita da zu bauen, wo es Neubaugebiete gibt - etwa in der Nähe des Wohngebiets Gartenstadt Heidloh in Todtglüsingen oder am Schulzentrum Düwelshöpen, wo das Gymnasium, die Erich-Kästner-Realschule und die Hauptschule stehen. Diese Alternativen hätten für die Eltern, anders als auf dem Weg zur Dieckhofstraße, den Vorteil, nicht die viel befahrene Bundesstraße 75 kreuzen zu müssen, so die Frauen.

Tamara Boos-Wagner geht noch einen Schritt weiter: Sie stellt die Notwendigkeit eines Neubaus an sich infrage. Darin ist sie sich mit den Grünen einig. Die hatten schon vor der Ratsentscheidung versucht, den Bau zu verhindern. Ja, mehr Krippenplätze seien nötig, sagt Tamara Boos-Wagner. Die könnten an den schon vorhandenen Kitas entstehen. Zusätzliche Kindergartenplätze brauche Tostedt aber nicht. Sie sagt, es gebe schon jetzt ein Überangebot an Kindergartenplätzen, das sich wegen des Geburtenrückgangs in den kommenden Jahren noch verstärken werde, und beruft sich auf den Kindergartenbedarfsplan des Landkreises Harburg.

Tatsächlich hat die Landkreisverwaltung darin ermittelt, dass die Gemeinde Tostedt derzeit mit insgesamt 843 Plätzen, davon 613 Vormittags- , 155 Nachmittagsplätze und 75 Ganztagesplätze, mehr als genug Kita-Plätze anbietet. Selbst wenn 90 Prozent der insgesamt 919 Tostedter Kinder im Kita-Alter einen Platz beanspruchten, würden 827 Plätze reichen, hat der Landkreis ausgerechnet.

Doch die Samtgemeinde Tostedt kommt zu einem anderen Ergebnis, nämlich auf 772 vorhandene Plätze, davon 468 Plätze für die Vormittagsbetreuung, 100 für die Betreuung am Nachmittag und 204 Ganztagsplätze. Nach dieser Rechnung fehlen Tostedt wiederum rund 60 Plätze. Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann schreibt die unterschiedlichen Ergebnisse der Tatsache zu, dass der Landkreis schon im vergangenen Jahr seinen Bedarfsplan ermittelt habe. Inzwischen hätten sich Gruppen aufgelöst, habe sich das Angebot verändert.

Bei Bostelmann stieß das Bürgerbegehren der Tostedter Frauen auf Unverständnis. Den Einwand sinkender Geburtenraten lässt er nicht gelten. "Wir müssen für diejenigen sorgen, die jetzt leben", sagt er. Und in Tostedt gebe es nun einmal die höchste Nachfrage nach Kindergartenplätzen. Zudem sei die Gemeinde mit einem Neubau besser für den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für alle Kinder unter drei Jahren gerüstet und habe Reserven, um die Gruppen zu verkleinern, damit behinderte Kinder die Kita im Zuge der Inklusion besuchen können.

Was den Standort angeht, gibt es aus seiner Sicht keine Alternative zur Dieckhofstraße. Mit der Grundschule in der Nachbarschaft werde den Kindern der Übergang von der Kita in die Schule erleichtert. Vermutungen, die in Tostedt in der Vergangenheit immer wieder laut wurden, wonach die einzügige Schule in naher Zukunft wegen sinkender Schülerzahlen geschlossen wird, tritt Bostelmann entgegen. Die von den Frauen vorgeschlagenen Alternativstandorte lehnt der Bürgermeister aus unterschiedlichen Gründen ab.

Um mit ihrem Bürgerbegehren erfolgreich zu sein, müssen die Frauen nun im ersten Schritt rund 2300 gültige Unterschriften von Tostedter Wahlberechtigten sammeln. Sie sind zuversichtlich, dass dies gelingt. Viele seien schon auf sie zugekommen und wollten sich beteiligen. "Das Ganze hat eine Riesendynamik angenommen", sagt Nadja Weippert.

Quelle: http://www.abendblatt.de/hamburg/harburg/article2411446/Muetter-wollen-neue-Kita-verhindern.html

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