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Eliano Lußem · @eliano_l

30th Mar 2019 from TwitLonger

Eine kleine taktische Einordnung meinerseits vom Spiel Leverkusen - Hoffenheim


Leverkusen verspielte sich in den vergangenen beiden Spielen eine große Chance. Mit zwei Siegen wären sie mitten im Kampf um die Champions League-Plätze – nach den herben Niederlagen gegen Bremen und in Hoffenheim läuft man jetzt jedoch Gefahr, selbst die Euro League, also das Minimalziel, zu verspielen. Doch ist ein Muster in den beiden Pleiten zu erkennen?
Peter Bosz hatte es geahnt. „Es sind da doch Details im Spiel von Hoffenheim, die ähnlich sind wie bei Bremen“, verriet er vor dem 27. Spieltag. Es sei nun die Chance der Spieler, zu beweisen, dass sie es besser machen können. Diese Chance war geboten, denn Peter Bosz behielt Recht: Hoffenheim übernahm viele Elemente aus dem Bremer Spiel, begonnen mit der Formation. Julian Nagelsmann entschied sich wie Trainer-Kollege Florian Kohfeldt für ein 4-4-2 mit einer spielstarken Raute im Mittelfeld mit Florian Grillitsch als Sechser und den offensiv ausgerichteten Leonardo Bittencourt und Kerim Demirbay auf der Acht. André Kramaric fungierte als Spielgestalter, der sich immer auf der Position zwischen der Zehn und dem Sturmzentrum bewegte, ähnlich wie es Max Kruse tat.
Bayers Trainer Bosz konnte dem jedoch eine schlagkräftige Elf entgegensetzen: Die hochgelobte Doppel-Acht mit Julian Brandt und Kai Havertz war fit, ebenso wie die eingespielte Angriffsreihe mit Leon Bailey, Kevin Volland und Karim Bellarabi. Julian Baumgartlinger war als Sechser gefordert, die Balance zu halten, die Viererkette mit Lars Bender, Jonathan Tah, Sven Bender und Tin Jedvaj komplettierten das gewohnte 4-3-3.
Hoffenheims Plan war indes ziemlich schnell klar: Forsches Pressing in allen Mannschaftsteilen sollte dazu führen, dass Leverkusen ihre spielerischen Qualitäten nicht ausspielen konnte. In der Umsetzung bewegten sich Kramaric, Joelinton und Belfodil beim Anlaufen meistens in einer Reihe. Kramaric orientierte sich meistens an Leverkusens Sechser Baumgartlinger, Joelinton und Belfodil attackierten je nach Situation die Innenverteidiger oder die Außenverteidiger, das Leverkusener Aufbauspiel sollte auf die Flügel getrieben werden. Außenverteidiger Brenet und Kaderabek kümmerten sich um Leverkusens Flügelspieler Bellarabi und Bailey. Die Achter Demirbay und Bittencourt bewachten ihre Pendants Brandt und Havertz, Grillitsch war meistens der freie Mann. Als Musterbeispiel dient die 14. Spielminute: Die Innenverteidiger Tah und Bender wollen das Spiel durch das Zentrum aufbauen und spielen auf Julian Brandt, der sich scheinbar von seinem Bewacher Demirbay gelöst hat. Nach der Ballannahme wird Brandt jedoch sofort gestört, verliert den Ball an Demirbay – es entsteht eine Kontersituation, die Kramaric viel zu hastig abschließt.
Hoffenheim ließ sich in der Folge auf ein kleines Gegenpressing-Festival ein. Unmittelbar vor dem 1:0 durch Belfodil hatten beide Mannschaften jeweils eine aussichtsreiche Kontermöglichkeit vergeben (Kramaric, Bailey), ehe Hoffenheims Führungstreffer ebenfalls nach einem Ballgewinn durch Benjamin Hübner fiel. Leverkusen wollte mit viel Positionsrotation und Laufarbeit zu Chancen kommen, hatte in der Folge auch seine beste Phase: Durch die Mann-gegen-Mann-Deckung im Mittelfeld stand Brandt beispielsweise höher oder mit Kai Havertz auf einer Seite, sodass eine Deckung ein zu großes Loch in Hoffenheims Struktur gerissen hätte. So geschehen auch vor dem Ausgleichstreffer: Kevin Volland ging auf den Flügel, wurde seinerseits von Demirbay bewacht, der eigentlich für Brandt zuständig war. Nach einer missratenen Flanke stand Brandt frei und bereitete mustergültig das Tor von Volland vor. Ähnliches Bild entstand bei der nächsten Riesen-Chance von Volland: Der Angriff entsprang erst dem Aufbau von hinten heraus. Nach einem Einwurf an Hoffenheims Sechzehner agierten die Leverkusener Offensiven schnell, Hoffenheim kam mehrfach nicht in die Zweikämpfe, Julian Brandt legte für Karim Bellarabi auf. Den Abpraller seines Schusses konnte Kevin Volland kläglicherweise nicht verwerten, Bayer war jedoch zu diesem Zeitpunkt die klar bessere Mannschaft.
Diese variable Struktur im Aufbau ging den Leverkusenern jedoch im Laufe des Spiels verloren. Nach der Verletzung von Karim Bellarabi und der Umstellung von Kai Havertz auf den rechten Flügel kam Bayer zu keiner nennenswerten Abschlussaktion nach Spielaufbau von hinten – die Chancen kamen allesamt nach Ballgewinn und Unordnung der Hoffenheimer. Die Frage, warum Peter Bosz nicht Paulinho, sondern den müden Charles Aranguiz einwechselte, darf erlaubt sein. Zudem war das Fehlen eines Linksfußes in der Viererkette offensichtlich: Oft war ein schnelles Kombinationsspiel, wenn sich ein Dreieck gebildet hat, nicht möglich, da der Ball zum Beispiel bei Jedvaj oft auf dem falschen Fuß landete und somit nicht direkt weitergespielt werden konnte.
Somit kam eins zum anderen. Leverkusen schaffte es nicht, wie gewohnt ihr Spiel aufzuziehen, ständig Dreiecke zu bilden und sich dem Pressing der Gegner zu entledigen. Hoffenheim konzentrierte sich spätestens nach dem etwas glücklichen Eigentor durch Sven Bender auf das, womit auch Bremen zwei Wochen zuvor – zumindest in der ersten Halbzeit – erfolgreich war: Sie konnten auf Fehler der Leverkusener lauern und den schnellen Weg durch wenig Ballkontakte aber vielen Kurzpässen in Richtung Tor finden. Fehlpässe gab es zwar auf Leverkusener Seite nicht oft angesichts der Passquote von 90%. Wenn ein Pass nicht den richtigen Abnehmer fand, war es jedoch folgenschwer; nicht erst der 1:0-Führungstreffer durch Belfodil fiel nach Baumgartlingers Fehlpass. Das Musterbeispiel an Fehlerketten, die in dem Bosz-System unbedingt zu vermeiden sind, ist das 3:1.
Fehler Nummer eins: Julian Brandt verliert leichtfertig den Ball. Zwar wurde er vom treuen Bewacher Demirbay begleitet, gestört wurde er jedoch nicht. Nadiem Amiri knüpfte dort an, wo Joelinton vor seiner Auswechslung aufhörte: Er ging lange Wege auf den Außen – dieses Mal mit Erfolg.
Fehler Nummer zwei: Das Mittel, mit dem Peter Bosz auf unvermeidbare Fehlpässe reagieren möchte, ist natürlich das gnadenlose Gegenpressing. Das Feld, in dem sich der Ball befindet, soll durch möglichst viele Spieler eingeengt werden, damit sich der Ball schnellstmöglich entweder in den eigenen Reihen befindet oder vom Gegner unkontrolliert weggeschlagen werden musste. In dieser Situation ist die Staffelung eigentlich gut: Sechs Bayer-Spieler befinden sich in Ballnähe gegen vier Hoffenheimer. Der Fehler ist dann, dass die Struktur nicht genutzt wird, die Spieler mehrere Male nicht in die Zweikämpfe kommen. Amiri, Kaderabek, Bittencourt und Grillitsch können sich einfach aus der Situation lösen.
Fehler Nummer drei: Das Abwehrverhalten von Mitchell Weiser. Zwar verteidigt Leverkusen in dieser Situation in ihrer Hälfte im Zwei-gegen-Zwei, jedoch war es nicht aussichtslos. Ishak Belfodil, bekanntermaßen rechtsfüßig, hatte zwei Optionen: In die Mitte ziehen oder nach außen. Da er logischerweise lieber mit dem rechten Fuß abschließen möchte, muss Weiser den Weg nach innen dicht machen. Drängt er ihn nach außen, wird der Winkel immer schlechter. Ähnliches passierte im Übrigen auch beim 3:1 von Werder Bremen – damals ließ Wendell von außen nach innen Max Kruse passieren, der mit seinem schwächeren rechten genial abschloss.
Das 4:1 fand dann einen ähnlichen Ursprung, nachdem Weiser den Ball verlor und Hoffenheim sich nach einer schnellen Kombination in einer Drei-gegen-Drei-Situation wiederfand. Hierbei ließ sich Jonathan Tah wie schon beim 1:0 leicht im Sprintduell abschütteln – von Ishak Belfodil.
Hoffenheim hatte dennoch auch einen Plan mit dem Ball: Sie nutzten es aus, dass Leverkusen mit den drei Stürmern in vorderster Front presste und legten ihr Aufbauspiel schnell auf die beiden offensiven Außenverteidiger aus: Kaderabek und Brenet hatten die dritt- und viertmeisten Ballbesitzphasen der Gastgeber. Diese wurden standesgemäß auch schnell unter Druck gesetzt, mussten sich dann im 1-gegen-1 durchsetzen oder hatten zwei Anspielstationen: Die beiden Achter Demirbay und Bittencourt orientierten sich zum Ball, die nominellen Stürmer Joelinton und Belfodil agierten als Flügelspieler.
Die Außenverteidiger spielten ohnehin eine große Rolle im Offensivspiel. Wenn die Achter das Spiel antrieben, formierte sich die Angriffsreihe der Hoffenheimer meistens zu einer Dreierkette: Belfodil, Kramaric und Belfodil liefen in einer Linie, banden damit die komplette Viererkette der Leverkusener, soweit vorhanden. Durch die immer marschierenden Brenet und Kaderabek kam Hoffenheim über die Außen immer wieder zu gefährlichen Situationen, da diese dort meist Freiheiten genossen.
Alles in allem war es ein verdienter Sieg der Hoffenheimer. Leverkusens beste Phase, als sie es mehrmals geschafft haben, sich bei einer organisierten Struktur durchzukombinieren, wurde durch Karim Bellarabis Verletzung und die personelle Umstellung unterbunden. Sie strahlten folglich weniger Dominanz aus, es gab mehr Fehlpässe und die Konsequenz in den Zweikämpfen ließ zu wünschen übrig. Julian Nagelsmann legte sehr viel Wert darauf, die spielerische Klasse in Leverkusens Zentrum zu unterbinden und selbst mit schnellem Kombinationsfußball zu Chancen zu kommen. Mit Erfolg.

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