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Stellungnahme zum Kinospot „STOP RAPE“
Als Landesarbeitsgemeinschaft der Frauennotrufe Baden-Württemberg / Saarland und als Landesarbeitsgemeinschaft feministischer Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen begrüßen wir es sehr, dass sich die Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung für den Kampf gegen sexualisierte Gewalt engagiert. Bei Öffentlichkeitsaktionen zu diesem Thema halten wir
es jedoch für unabdingbar, die Fachexpertise der Frauennotrufe und
Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt frühzeitig einzuholen.

Mit Erschrecken haben wir den Kinospot „STOP RAPE“ zur Kenntnis genommen. Anliegen des Spots ist es offensichtlich, durch Konfrontation bei jungen Männern die Einsicht zu fördern: „Kein Mann möchte dies einem Menschen antun“ (www.frauenbeauftragte-ba-wue.de/news/kino-gegen-gewalt-praesentation-kinospot-stop-rape.html).

Als Fachfrauen haben wir folgende Kritikpunkte an dem Spot:

1. Statistisch gesehen ist davon auszugehen, dass mindestens jede siebte Frau, die sich im Kino befindet, selbst eine Vergewaltigung erlebt hat. Diese Frauen gehen ins Kino, um einen ganz anderen Film zu sehen, und werden mit einem Spot konfrontiert, der eine Vergewaltigung aus der Täterperspektive zeigt. Sie haben sich nicht dafür entschieden, sich in diesem Moment aktiv mit diesem Thema auseinander zu setzen, sondern werden vollkommen unvorbereitet damit konfrontiert.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Frauen in einem dunklen Raum
sitzen. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Frauen getriggert wird. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit von Flashbacks und Intrusionen (Wiedererleben von traumatischen Ereignissen) ist hoch, zumal in dunkler Umgebung die Orientierung im Hier und Jetzt erschwert ist. Aufgrund der hohen emotionalen Belastung ist davon auszugehen, dass nicht jede Frau erfassen, dass dieser Spot nicht aussagen will, dass die Frau selbst Schuld ist, weil sie den Täter eingeladen hat, und dass es „geil“ ist, eine Frau zu vergewaltigen.

2. Die Frau im Kinospot wird ausschließlich als hilf- und wehrloses Opfer
dargestellt. Das darf im 21. Jahrhundert nicht mehr die Botschaft sein, weder an Männer noch an Frauen. Auch im Anschluss an die gezeigte Vergewaltigung werden keine Hilfsmöglichkeiten oder Anlaufstellen gegen sexualisierte Gewalt dargestellt. Die Frau verbleibt in der ohnmächtigen und sprachlosen Situation.

Eine eigene Stimme erhält ausschließlich der Täter. Unklar bleibt auch, dass es sich bei Vergewaltigung um ein schweres Verbrechen und Offizialdelikt handelt. Im Kinospot bleibt die Tat ungeahndet.

3. Die meisten Menschen, die den Kinospot sehen, werden das Verhalten des Täters abstoßend finden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch sexistische Männer sowie Gewalttäter diesen Spot sehen. Aufgrund des anonymen Kontexts im dunklen Kinosaal ist zu fürchten, dass diese Männer lachen oder sexistische Kommentare abgeben. Solche Reaktionen können für betroffene Frauen im Kino extrem beängstigend sein.

4. Eventuell will der Kinospot auch darstellen, dass Täter kein Unrechtsbewusstsein haben. Unseres Erachtens wäre es jedoch möglich gewesen, diese Botschaft auf weniger voyeuristische Art und Weise zu transportieren. Bei undifferenzierter Betrachtung des Kinospots kann der Eindruck entstehen, Frauen seien selbst schuld an einer Vergewaltigung, und für Männer sei es ein „geiles“ Erlebnis, eine Frau zu vergewaltigen.
Deshalb haben wir die kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Baden-Württemberg aufgefordert, die Ausstrahlung des Kinospots unverzüglich zu stoppen. Die Gefahr, die von einem solchen Spot für die psychische Gesundheit von gewaltbetroffenen Frauen ausgeht, ist so hoch, dass unseres Erachtens eine sofortige
Beendigung der Kampagne unabdingbar ist.

Ansprechpartnerinnen:
Tabea Konrad
Fetz Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart e.V.
Schlossstr. 98, 70176 Stuttgart
Tel: 0711 / 2859002
Mail: info@frauenberatung-fetz.de

Angelika Gekeler und Claudia Nicolay
Frauen helfen Frauen in Not e.V.
Austraße 89, 78467 Konstanz
Tel: 07531 / 67999
Mail: beratung@gewaltgegenfrauen.de

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