Enno Schmidt's liebenswerter Kommentar am 22.8. an Ralph's Pinnwand FB:


Enno Schmidt schreibt gestern - siehe Antwort unten vom Ralph ...

"Lieber Ralph, Du bist nicht im Hungerstreik, wie es falsch und abschwächend privatisierend oft gesagt wird, sondern Du hast nichts zu essen, weil Du sanktioniert bist. Der Staat, im Namen des Volkes, lässt Dich verhungern. Weil Du Befehlen nicht gehorchst, deren Unsinnigkeit Du längst belegt hast. Das Gewissen des Menschen - wenn jemand sagt: ich kann ein Verhalten, das mir aufgenötigt wird, nicht mit meinem Gewissen vereinbaren - ist Grund genug, ihn verhungern zu lassen. Du hältst der Harz IV Gesetzgebung ihre Konsequenz vor. Sie benutzt die Todesangst in all ihren Maßnahmen und muss daher auch sterben lassen. Du zeigst nicht willkürlich sondern gesetzestreu, dass diese Gesetzgebung mördrisch ist. Du nimmst die Essensmarken nicht entgegen, weil es den Menschen bricht, die Brosamen aus der Hand zu kauen, die ihn schlägt. Du lässt Dich nicht auf die Grundlüge des Systems ein, die daraus besteht, so zu tun, als könne jemand bis zur Einkommenslosigkeit bestraft werden, als gäbe es eine Welt da draußen außerhalb von allem, wohin man ihn verbannen kann, die Natur irgendwo oder dann doch außergesetzliche private Zuwendungen. Die Grundlüge ist, dass man sich für Grundgesetzt und Grundrechte lobt, aber kein Grundrecht besteht. Es ist so etwas wie eine Verfassungslüge. Es besteht so etwas wie eine Versicherungsgesellschaft, die natürlich Auflagen und Bedingungen für ihre Leistungen hat, aber kein Staat mit Rechten. Wenn gesellschaftliche Übereinkunft ist, dass wir niemanden verhungern lassen, dann muss das auch mal klar sein. Dann kann man nicht kommen und sagen: ja, aber nur, wenn jemand, der am Verhungern ist, nach einer fremden Pfeife tanzt, nur, wenn derjenige seinen freien Willen abgibt, sich unterwirfthat und seine Würde antatsten lässt. Nicht, wenn so jemand dann noch auf seine Würde pocht. Dann doch verhungern. Zum Funktionieren des Systems ist die Würde des Menschen unbedingt antatsbar. Du stehst nicht gegen den Staat auf, gegen den Du ja gar nicht aufstehen müsstest, sondern gegen die Fälschung, dass sich etwas als Staat ausgibt, was nicht Staat ist. Das ist heftiger, als würdest Du gegen einen Staat aufstehen. Der könnte sich ja bewegen, wenn er legitim ist. Die Scheinbarkeit aber kann sich nicht bewegen. Sie kann höchstens Tricksen. An einer Bewegung bräche sie zusammen. Sie hofft, dass Du Dich irgendwie anders durchschlägst. Deswegen machst Du es nicht. Du machst auf die Verantwortung jedes Einzelnen für sein Tun und Unterlassen aufmerksam. Nichts da mit der Ausrede, man habe nur auf Befehl gehandelt. Bravo! Ich verleihe Dir das Bundesverdienstkreuz. Das ist Civilcourage vor dem Amtsmissbrauch. Du rufst den zentralsten Satz der Deutschen in Erinnerung: "Die Würde des Menschen ist unantastbar...", gegen den eine flächendeckende Millionen Menschen betreffende Gesetzgebung jetzt wieder verstößt. Noch ein Bundesverdienstkreuz. Rettung des Riegels, den die Gesetzgeber dem Entstehen eines erneuten Terrorregiems vorschieben wollten. Ist die DDR ökonomisch zur BRD geworden und die BRD politisch zur ...? Menschenverachtung. Angstsystem. Du setzt den Menschen, Dich, allein gegen die Gewissenlosigkeit eines Systems. Gegen ein unmenschliches System. Und wer gewinnt? Du natürlich. Der Mensch ist unbesiegbar. Ist er. Das Problem: das System geht auf Dich über. Könnte sein. Ich weiß es nicht. Könnte sein, Du stehst mit der Härte des Systems gegen das System. Könnte sein, Du klebst am Dagegen und stirbst daran. Ich weiß nämlich nicht, was Dein Sieg wäre. Wenn Du, was nicht sein möge, am Hungern stirbst, dann bist Du für die einen ein Märtyrer und für viele ein Trotzkopf. Bewegen sich dann die Gerichte? Gibt es dann ein paar Demos mit Randale? Gibt es dann Menschen mit noch mehr Hass und Ohnmacht im Gefühl? Tote sind ganz bald doch einfach nur tot. Ich glaube zu verstehen, dass Du keine Angst mehr vor dem Tod hast. Ich weiß, Du arbeitest an Dir und hast das seit Jahrzehnten. Ich weiß, wie schon früh jemand vom Amt mit Bestialität, mit Dummheit in Dein Leben fetzte. Ich kenne ein wenig Deine Geschichte. Du machst Dich öffentlich. Darum sage ich solche Dinge auch hier im Öffentlichen. Make the secrets productive. Wenn Du stirbst, haben dann ganz viele auf facebook Dein Konterfei als Profilbild? Hinterlässt Du Ratlosigkeit? Wut? Kein Weg. Ich will Dir nichts raten. Denn Deine Entschiedenheit bewundere ich und dass Du Recht hast auch. Und dass Du Dich dem mit Deinem Leben stellst auch. Und doch lässt mich etwas daran leer. Dass Du dem Zwang mit Zwang begegnest? Man kann auch sagen: der Staat ist nicht erpressbar. Das ist in Bezug auf das, was Du tust, eine Floskel, aber damit wird es abgetan. Es gibt auch die, das weißt Du, die finden, Du machst Dich wichtig. Du seist gefangen in der Bedeutung, in die Du Dich am falschen Gesetz versetzt. Stimmt nicht. Stimmt aber auch. Was ist mit dem Leben? Es wäre auch souverän, wenn Du aufstehst und sagst: ich lebe jetzt mal anders weiter. Ich bin nicht das, wogegen ich stehe. Und das, wofür ich stehe, das fordert nicht meinen Tod. Dem muss ich auch mal nicht beweisen, dass ich es ernst meine. Ich bin nicht, was das Richtige ist, wofür ich stehe. Du weißt, wir sprachen schon mal darüber. Nicht sich selbst verwechseln mit der Größe der Idee, für die man steht. Ganz wichtig. - - - Der Absturz ins Kleine kann die größere Herausforderung sein."


Ralph Boes' Antwort:
"Es ist gut, lieber Enno, dass Du verstehst, was ich tue! Es ist auch gut, dass Du mich nicht zu einem letzten Schritt beflügelst - denn er muss ganz und gar der MEINE sein, EGAL, wie ich mich entscheide. Die Kräfte, die wirken, sehe ich allerdings SO schwarz, dass ein zurückweichen eine Katastrophe wäre ... Sie dürfen nicht siegen. Nie und nimmer. Es ist aber auch eine Wahrheit, dass im Sturm manchmal ein Grashalm fester ist als eine Eiche ... Das wird sich finden ..."

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