Warum baut die Samtgemeinde #Tostedt völlig aufgabenwidrig der Polizei ein neues Dienstgebäude? - Die Samtgemeinde baut ein Polizeidienstgebäude in der Schützenstraße. Innenminister Uwe Schünemann legte den Grundstein.

Der Mietvertrag für die nächsten 20 Jahre ist unterzeichnet; nun wird die neue Polizeistation im Tostedter Ortskern gebaut. Den Grundstein für den 1,3 Millionen Euro teuren Gebäudekomplex in der Schützenstraße 26 legten die Initiatoren um Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann und Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann. Letzterer bezeichnete das Projekt als "schlichtweg ideal". Doch diese Ansicht teilen längst nicht alle. Angesichts der hohen Verschuldung der Gemeinde, die bis 2016 voraussichtlich auf 22 Millionen Euro ansteigen wird, müssen sich die Verantwortlichen erneut den Vorwurf gefallen lassen, eine teure freiwillige Aufgabe zu finanzieren, für die eigentlich das Land verantwortlich ist.

Warum baut die Samtgemeinde Tostedt völlig aufgabenwidrig der Polizei ein neues Dienstgebäude? Dirk Bostelmann bekommt bei dieser Frage einen trockenen Hals: "Ich habe schon so oft etwas dazu gesagt, dass mir die Sätze mittlerweile im Hals stecken bleiben", sagt er und räuspert sich. Denn die Diskussion darüber, wie und wo die Tostedter Polizei in Zukunft ein Quartier bezieht, reicht bis ins Jahr 2008 zurück. Damals flüchteten die Beamten aus ihrer Station am Elsterbogen vor Schimmelpilz an den Wänden, zogen in Container um. Kurze Zeit später verlegten sie ihr Hauptquartier dann in die alte Villa an der Schützenstraße.

Bostelmann versprach dem Ersten Kriminalhauptkommissar Karl-Heinz Langner, dass er mit seiner Mannschaft spätestens im Jahr 2010 ins Rathaus einziehen könne. Der Samtgemeinderat hatte zuvor beschlossen, das Gebäude entsprechend umzugestalten.

Doch daraus wurde nichts. Im März 2010 gesellten sich vielmehr Pläne über einen Erweiterungsbau des Rathauses dazu, von dem am Ende auch die Polizei als Mieter profitieren sollte. Den entsprechenden Samtgemeinderatsbeschluss nahmen die Mitglieder jedoch im August 2010 zurück, um einen Bürgerentscheid abzuwenden. Die kostengünstigere Alternative: ein Neubau auf dem Rathausgelände. Grünes Licht aus Hannover gab's im März 2011. Erst jetzt fiel der Startschuss für das umstrittene Bauprojekt.

"Dass die Polizeibeamten dringend ein neues Quartier benötigten, ist klar. Und es ist eine gute Sache, wenn wir versuchen, die Polizei im Ort zu halten. Aber es ist nicht Aufgabe der Gemeinde, dafür ein neues Haus zu bauen", sagt Peter Dörsam, Vorsitzender des Ortsvereins Bündnis 90/Die Grünen. Unverständlich sei für ihn auch, warum das Gebäude unbedingt auf das Rathausgelände gestellt werden muss. "Es gab doch zahlreiche Interessenten, die ihre Gebäude gern an die Polizei vermietet hätten, und deren Standort noch zentraler gelegen wäre. Dort hätte es auch keine Probleme mit dem Denkmalschutz gegeben und die Polizei wäre längst umgezogen", sagt Dörsam.

Natürlich sei jetzt ein schlechter Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren, ob die Politiker mit dem Ja zum Neubau damals die richtige Entscheidung getroffen hätten. Fakt sei jedoch, dass die drohende hohe Verschuldung schon 2008/2009 absehbar war. Die Grundschule in der Poststraße war beschlossene Sache, der Kindergarten befand sich im Bau, die Realschule wurde umfassend saniert. "Wenn Tostedt richtig viel Geld hätte, würde ich sagen, das mit dem Neubau ist eine tolle Sache. Aber angesichts der schlechten Hausaltslage hätten wir nachträglich gesehen lieber darauf verzichten sollen. Denn die Frage ist doch, wie viel Miete kommt tatsächlich rein? Reicht das wirklich, um alle Kosten zu decken?"

"Definitiv: Ja", sagt Dirk Bostelmann. Der Samtgemeindebürgermeister ist von dem Projekt nach wie vor überzeugt: "Für mich ist das ein Beispiel für ein gelungenes Public-Public-Partnership-Projekt. Die Gemeinde baut, das Land zahlt, und nach Ablauf des Mietvertrages in 20 Jahren bleibt das Gebäude in öffentlicher Hand." Die Gemeinde erlaube sich diese freiwillige Aufgabe, weil sie sich komplett über die Mieteinahmen refinanziere. Selbst, wenn das Land im Sinne einer Verschlankung der Strukturen die Polizei irgendwann einmal aus Tostedt abziehe, sei der Vertrag bis 2033 verbindlich. "Das Geld wird also fließen."

Davon ist auch Sozialdemokrat Klaus-Dieter Feindt überzeugt. "Das Land wird uns die Gesamtkosten erstatten", sagt er. Hätte sich der Samtgemeinderat damals nicht für die Polizei eingesetzt, wären die Beamten vielleicht heute schon nicht mehr vor Ort. Das wiederum wäre insbesondere vor dem Hintergrund, dass es nach wie vor eine aktive Nazi-Szene in Tostedt gibt und die Polizei zuletzt rund 1500 Straftaten aufzuklären hatte, ein Problem gewesen. "Wir nehmen die Verschuldung sicherlich nicht auf die leichte Schulter. Aber wer den Bürgern Sicherheit vermitteln möchte, der muss sich dafür lang machen und zahlen."

Für Harald Stemmler von der Wählergemeinschaft ist der Bau des Polizeigebäudes darüber hinaus ein klares Bekenntnis zur Ortschaft: "Wir tun das für Tostedt, nicht für Hannover." Und die Politik werde alles dafür tun, dass auch künftig ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann.

Die Samtgemeinde profitiert übrigens nicht erst nach Ablauf der Mietfrist von dem Neubau auf dem Rathausgelände. "Wir wollen den Keller für unser Archiv nutzen. Dafür hätten wir sonst anderen Raum schaffen müssen", sagt Dirk Bostelmann. Für Polizeipräsident Friedrich Niehörster ist die Initiative der Gemeinde vorbildlich: "Wenn Sie mich fragen, gehört die Polizei möglichst überall neben das Rathaus."

Quelle: http://www.abendblatt.de/hamburg/harburg/article111419817/Wir-tun-das-fuer-Tostedt-nicht-fuer-Hannover.html

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