thelepathy

Roland Thele · @thelepathy

23rd Apr 2012 from Twitlonger

@peterpiksa Heute mal twitmuchlonger. ;-)

Meine Verärgerung über @laprintemps bezog sich auf ihre Korrektur eines eigenen kritischen Blogbeitrages in Erwiderung auf die meines Erachtens höchst problematischen Äusserungen des Piraten Bodo Thiesen zum Thema "Holocaust".

Der Beitrag vom Januar 2011 ist an sich ganz in Ordnung, speziell was die Intention angeht, eine starke Gegenposition zu inakzeptablen Standpunkten, wie denen von Thiesen, zu formulieren. Leider enthält er aber im letzten Absatz auch den Verweis auf das in rechtsextremen und geschichtsrevisionistischen Zirkeln (zB Germar Rudolf) (leider auch) gerne zitierte Buch "The Holocaust Industry" des US- Politologen Norman G Finkelstein. Kurze Klarstellung - Finkelstein ist KEIN Holocaustleugner, ganz im Gegenteil, ... und zufällig ist er auch mein Steckenpferd.

Im Rahmen der gerade wieder hochkochenden Diskussion um die Piraten und ihre vereinzelt recht unangenehmen Parteigenossen droht nun die richtige Peilung allerdings völlig verloren zu gehen, denn man steckt aus offensichtlicher Unkenntnis der Materie seriöse Wissenschaftler mit den Wirrköpfen unter eine Decke, welche sie aus Opportunismus falsch oder selektiv zitieren.

Die Piraten @maltewelding und @sascha242 haben sich den vielfach positiv kommentierten Text von @laprintemps noch mal zur Brust genommen und kritisieren, dass diese Norman Finkelstein das Wort redet, wenn sie von "berechtigte Kritik […] an der ‚Holocaust-Industrie‘ redet. Dies tun sie wahrscheinlich in völliger Unkenntnis des Autors, seines Buches, seiner Thesen und deren positiver Rezeption bei sehr namhaften Historikern und Politikwissenschaftlern.

Es kommt noch schlimmer. @la printemps, ihres Zeichens selbst Politikwissenschaftlerin, fühlt sich daraufhin genötigt, ihren Text zu verschlimmbessern, indem sie folgenden kleinen edit hinterherschiebt, in welchem sie Norman Finkelstein in einem Atemzug mit Holocaustleugnern nennt. Sie wolle der Finkelstein-Theorie zur Holocaust Industrie nicht nach dem Mund reden, heisst es dort. Doch man muss sich fragen, weiss diese Frau überhaupt wovon sie spricht?! >:(


Zitat @laprintemps "Update: In einer vorherigen Version des Artikel wirkt es so, als würde ich der Finkelstein-Theorie zur Holocaustindustrie nach dem Mund reden. Das ist jedoch missverständlich. Es geht mir darum, dass eben diese Holocaustleugner mit dem Holocaust Geld verdienen – im Prinzip ein ironisches Aufgreifen."

Hier nun meine Kritik, die ich in Form eines Kommentars auf ihrem Blog hinterlassen habe:

Warum die #Piratin Julia Schramm @laprintemps den amerikanischen Politikwissenschaftler Norman Finkelstein als Holocaustleugner bezeichnet und damit völlige Unkenntnis der Materie beweist.

@laprintemps
Ich glaube, die wirklich dumme Falschbehauptung in deinem Update, dass Norman Finkelstein ein Holocaustleugner sei, der mit dem Holocaust sein Geld verdiene, wird an dieser Stelle nicht lange stehen bleiben.
Zumindest in dem Falle nicht, dass du weiterhin als reflektierende, seriöse Bloggerin wahrgenommen werden willst.

Du beweist mit diesem kleinen vergifteten Appendix, dieser Verschlimmbesserung auf Zuruf anderer (Piraten), nur eines - völlige Unkenntnis der Materie und Unfähigkeit einen akademischen Diskurs zu führen.
Wer Norman Finkelstein’s „The Holocaust Industry“ gelesen hat und Einschätzungen anderer Politik- wissenschaftler und Historiker dazu kennt, muss sich verwundert die Augen reiben und fragen, wo und wie du den Unsinn, den du hier in Bezug auf Finkelstein schreibst, eigentlich recherchierst? Ist die höchste Trefferzahl bei Google dein Maßstab?

An dieser Stelle in wenigen Sätzen ein paar FAKTEN zum Thema:

Im Juli 2000 erschien beim linksliberalen Label ‚Verso‘ das Buch "The Holocaust Industry" des US-Politikwissenschaftler Norman Finkelstein. Finkelstein, Sohn polnischer Juden, welche die KZs Auschwitz und Majdanek überlebten und nach New York emigrierten, wurde von Kindesbeinen stark durch seine überaus pazifistisch eingestellte Mutter geprägt und politisiert. Seit Israel’s Libanon-Krieg 1982 engagiert sich Finkelstein unter anderem für eine friedliche Lösung im Nahen Osten und tritt in Debatten als harscher Kritiker israelischer Politik auf.

Während seiner Zeit in Princeton, wo er zum Thema ‚Zionismus‘ promovierte, wurde er maßgeblich durch den bekannten Linguisten und Philosophen Noam Chomsky beeinflusst, welcher zu seinem Mentor wurde. Finkelstein machte es sich zur Aufgabe, einzelne Werke amerikanisch-jüdische Literatur, die aus seiner Sicht geschichtsverdrehend und verherrlichend waren, akademisch zu widerlegen und zu dekonstruieren. In seiner Kritik an Joan Peter’s „From Time Immemorial“, Daniel J. Goldhagen’s „Hitler’s Willing Executioners“ und Alan M. Dershowitz „The Case For Israel“ wurde er von namhaften Wissenschaftlern, wie Raul Hilberg, Avi Shlaim, William B. Quandt, Noam Chomsky u.a. unterstützt. Andere namhafte Wissenschaftler, wie Omer Bartov, Tom Segev, Peter Novick, Hans Mommsen etc. haben Finkelstein hingegen teilweise harsch kritisiert.

In „The Holocaust Industry“ (Kapitel 3) widmet sich Finkelstein unter anderem den einflussreichen amerikanisch- jüdischen Interessengruppen um den World Jewish Congress unter der Führung des Milliardärs Bronfman, welche aus seiner Sicht das Andenken an die Holocaustopfer missbrauchten, um möglichst hohe Entschädigungssummen von Schweizer Banken zu erpressen. Finkelstein geht detailliert auf die Untersuchungsergebnisse der Volcker-Kommission (500 Mio$ schweres Audit) ein, welche Zahl und Geldwert der noch verbliebenden Schliessfächer jüdischer Holocaustopfer ermitteln sollte. In deren Abschlussbericht vom Dezember 1999 wurde eine Zahl von 25.000 sicher identifizierbaren Schliessfächern genannt, von denen 10.000 auf einem Wert von ca. 170-260 Mio $ beziffert wurden. Der WJC, welcher den Wert der Schliessfächer selbst auf mindestens 7 Milliarden $ (sic) schätzte, hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits durch erheblichen politischen und wirtschaftlichen Sanktionsdruck aus den USA 1,25 Milliarden $ (per class-action settlement August 1998) von den Schweizer Banken erpresst. Als Hebel dienten die billionenschweren amerikanischen Pensionsfonds, welche beim Insistieren der Schweizer darauf, die Ergebnisse der Volcker-Kommission abzuwarten, drohten, ihre Gelder abzuziehen.

Finkelstein’s „Holocaust Industry“ wurde von verschiedenster Seite, unter anderem von Novick und Bartov, wegen „falscher Beschuldigungen“ und „Missinterpretationen“ harsch kritisiert, die konkreten Erkenntnisse zur Erpressung der Schweizer Banken jedoch nie wissenschaftlich widerlegt.

Im Gegenteil, andere Wissenschaftler bestätigen Finkelstein’s Ergebnisse als akkurat. Hier ein Zitat aus einem Interview mit dem Nestor der Holocaustforschung, Raul Hilberg, über Finkelstein’s „The Holocaust Industry“ (Quelle: http://www.logosjournal.com/issue_6.1-2/hilberg.htm):

“Now Finkelstein had a second point, which, in my opinion, was one hundred percent correct and that is that the response to the issue of the Swiss banks and German industry, which had coincided during the War, was not only coercive on the part of the Jews who mobilized, but also on the part of all the insurance commissioners, the Senate, the House, and the critical committees. The only thing they could not break through was to the courts, which still have independence. So they lost at court, but they threatened people like Alan Hevesi in New York. They could make threats because Swiss banks wanted to expand here. For Finkelstein, this was naked extortion and I’m not sure who agreed with him except for me and I said so openly. In fact, I said so to the press in maybe seven countries.

The press did not expect my answer. The World Jewish Congress was led by a man who was appeared to be from his own autobiographical statements to be totally, not even average, but like a child almost. What this tycoon, who took over the World Jewish Congress, was saying was totally preposterous. The claims lawyers, joined by the World Jewish Congress, made an incredible display of totally inappropriate behavior."

Abschliessend noch einige Worte zu den gleichermaßen wichtigen Kapiteln 1 und 2, die allgemein etwas weniger Beachtung fanden. Hier widmet sich Finkelstein der seiner Meinung nach zunehmend zentralen Rolle der Erinnerung an den Holocaust als zentrales, konstitutives Moment der seit 1967 erstarkenden amerikanisch-israelischen Beziehungen. Finkelstein skizziert auch, die seines Erachtens irrationale Versuche der Mystifizierung des Holocaust durch illustre Figuren wie Elie Wiesel, hinterfragt den Singularitätsanspruch des jüdischen Holocaust, berichtet von Geschichtsfälschungen und Schwindel in Verbindung mit dem Holocaust (Wilkomirski/Kosinski) und argumentiert gegen die Marginalisierung nicht-jüdischer Opfer (500.000 Sinti& Roma) bei der Erinnerung und im Rahmen der Einrichtung von Holocaust-Museen in den USA.

An KEINER Stelle finden sich jedoch Passagen der Leugnung des Holocausts oder ein Infragestellen der Opferzahl von 6 Mio. ermordeten Juden. Mit dem Vorwurf konfrontiert, entgegnet der Autor, dass er geistesgestört sein müsste, im Angesicht des Schicksals seiner Eltern den Holocaust zu leugnen. Dann stellt er die Gegenfrage: „Beurteilen Sie es selbst. Sie können inhaltlich anderer Meinung sein als ich. Aber ist es ihr Eindruck, dass ich geistesgestört bin? Nun, wenn Sie denken, dass ich es nicht bin, dann müssen Sie sich fragen, warum jene 10.000 Internetseiten** das behaupten?“

Fazit: Buch lesen, Sekundärliteratur lesen und NACHDENKEN! Nachdenken, ob es dem Andenken von 6 Mio. Holocaustopfern und ca. 5 Mio. weiteren Opfern der brutalen NS-Vernichtungsmaschinerie gerecht wird, wenn man kritische akademische Stimmen, die es ablehnen, Andenken zu instrumentalisieren, mundtot machen will.

Und ich hoffe wirklich, dass es nur Unkenntnis bzw. unreflektiertes Daherreden, und kein Vorurteil war, welches dich zu diesem Statement bewegt hat.

Roland

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