Mit einigem Unverständnis habe ich die Kritik Richard Gutjahrs in seinem Blog gelesen.

http://gutjahr.biz/blog/2011/07/es-brennt-tricastin/

Kernkritik ist der Vorwurf, Journalistinnen und Journalisten hätten über ein Feuer, das am Samstag auf dem Gelände des französischen Atomkraftwerks Tricastin ausgebrochen ist, nicht berichtet. Die Kollegen hätten ihre Arbeit nicht gemacht und auf eigene Recherche verzichtet, heißt es.

Dieser Darstellung muss ich widersprechen. Ich habe am Samstag ebenso wie viele Kollegen von dem Brand via Twitter erfahren. Ich habe daraufhin mit einer heute.de-Redaktuerin in Mainz telefoniert und angefangen, zu recherchieren. Vorgefunden habe ich eine schwierige Quellenlage, da sich alle Meldungen immer wieder auf eine einzige Quelle, die Internetseite einer französischen Lokalzeitung, bezogen.

Die Echtheit eines Fotos, das auf Twitter kursierte und Rauchwolken über einem Atomkraftwerk zeigte, konnte ich auf Anhieb nicht eindeutig verifizieren. In einer solchen Situation ist Vorsicht geboten, wie ich finde.

Der WDR-Journalist Robert Kindermann kritisiert in einem Gastbeitrag auf Gutjahrs Seite: "Keine mir bekannte Redaktion ließ ihre Leser Teil an den Recherchen haben. Ein Tweet wie 'Wir haben das mitbekommen. Wir recherchieren hinterher. Es sieht derzeit danach aus, dass keine Gefahr für die Umwelt besteht #tricastin' besteht aus 138 Zeichen. 138 Zeichen, die viele Menschen beruhigt hätten."

Einen solchen Tweet hatte ich am Samstag geschrieben.

http://twitter.com/#!/dominikrzepka/status/87241699016974336

Ebenso habe ich andere Twitternutzer um Hilfe gebeten.

http://twitter.com/#!/dominikrzepka/status/87268705205092352

Ich habe Robert bereits gesagt, dass ich es nicht schlimm finde, dass ihm meine Tweets entgangen sind. Kollegial darauf hinweisen möchte ich aber doch.

Mich beunruhigt etwas anderes: Nach einiger Recherche bin ich zu dem Ergebnis gekommen: Es scheint sich nicht um einen schwerwiegenden Zwischenfall zu handeln – zum Glück. Der Brand ereignete sich in einem Trafo, der den Strom, den das AKW produziert, speichert beziehungsweise weiterleitet, worauf der dapd-Journalist Daniel Bouhs aufmerksam machte.

http://twitter.com/#!/daniel_bouhs/status/87488428815564800

Gefahr für die Stromversorgung des Kraftwerks hat also nicht bestanden.

Laut einem Google-Bild hat sich der Brand offenbar 1,3 Kilometer entfernt von Reaktor 1 des AKW ereignet. "Nah am Reaktor", twitterte Anti-Atom-Pirat @JottEs. "Außerhalb der Nuklearzone", meldet dpa unter Berufung auf den Betreiber, der den Brand inzwischen in einer französischsprachigen Pressemitteilung bestätigte. Wieder eine schwierige Quellenlage. Was ist "nah am Reaktor"? Besteht Gefahr für das Kraftwerk oder die Menschen in seiner Umgebung?

Die Antwort ist meiner Interpration nach: Offenbar nein. Der Betreiber teilt mit, es sei niemand verletzt worden und es sei kein radioaktives Material ausgetreten. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bestätigt am Montag diese Einordnung – und widerspricht damit Twitterer JottEs.

Bei Twitter gab es auch Meldungen, die von einer "Explosion in französischem Atomkraftwerk" sprachen. Robert Kindermann retweetete diese Meldung und hatte "kein gutes Gefühl dabei - es waren einfach kaum Quellen zu finden."

Die Frage muss erlaubt sein, wie man eine solche Meldung ungeprüft retweeten kann. Kann es sein, dass die Versuchung zu groß war, als Erster eine Topstory weiterzugeben?

Zurück zu Gutjahrs Kritik: "Es gibt nun mal das Telefon. Warum freiwillig darauf verzichten?", schreibt er. Und etwas später: Sollten wir (...) nicht alle Werkzeuge und Quellen nutzen, die uns zur Verfügung stehen?"

Stimmt. Ein Anruf bei der IAEA bringt weitere Klarheit: "Normalerweise müssen wir von Zwischenfällen informiert werden", heißt es dort. Und weiter: "Wir haben von dem Vorfall bisher nichts mitbekommen. Wir hören gerade zum ersten Mal davon."

Ich finde, Daniel Bouhs hat Recht, wenn er über den Fall Tricastin twittert: "Hier haben Medien funktioniert - Selektion statt Panikmache. Das war gut so!"

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