Warum tun wir uns das an? Warum tun wir Ihnen das an?
Sondermodelle am laufenden Band oder besser am laufenden Webstuhl.

Diese Frage habe ich mir am vergangenen Freitag mehrfach erneut, aber dringend wie nie, gestellt. Was war passiert? Der Reihe nach:

Freitag 4. März: Auf dem Webstuhl läuft bereits ein neues Sondermodell mit Leinen, ecrufarben, eine ordentliche Stückzahl. Nicht so sehr aufregend glauben wir. Das Angebot für „Auguri Gemelli“ kommt noch vorher und ist vorbereitet.

Donnerstagmorgen: Die Tücher sind konfektioniert und im Lager, die ersten werden bereits geprüft und verpackt.

Donnerstagmittag: Ich kündige das Modell 50/50 Leinen/Baumwolle auf Twitter an für Freitag 16 Uhr – rund vierundzwanzig Stunden im Voraus.

Donnerstagnachmittag: Wir schauen die Bilder für das neue Modell Pfau ecru-leinen durch und entscheiden, welches wir nehmen.

Freitag, 10.00 Uhr: Ich bereite das „online-stellen“ des neuen Modells vor, erstelle Texte, lasse sie in andere Sprachen übertragen.

Freitag, 12.00 Uhr: Wir ahnen inzwischen, das Modell könnte sehr gut angenommen werden und ist außerdem auch nicht ganz billig, deswegen kurze interne Diskussion über „Vorauskasse und Sofortzahlen“, die wird pro „Sofortzahlen“ entschieden.

Freitag, 15.55 Uhr: Check, ob die Preise stimmen,
richtige Größen eingestellt.

Freitag, 15.58 Uhr: Bild hochladen (so spät, damit es nicht vorher schon gefunden wird).

Freitag, 15.59 Uhr: Entspannte Stimmung im Büro, Sondermodell geht online, wir wissen ja ungefähr womit wir rechnen müssen. Dieses Mal gibt’s auch eine hübsche Menge.

Freitag, 16.00 Uhr: Pfau ecru-leinen, 50% kbA-Baumwolle/50% Leinen wird online gestellt.

Freitag, 16.01 Uhr: Die erste Anruferin möchte telefonisch bestellen, online funktioniert nicht – wir schöpfen noch keinen Verdacht (später wissen wir es besser).

Freitag 16.02-16.04: Der Bestelleingang läuft über, das Telefon klingelt auf allen Leitungen, die E-mail-Posteingangsordner melden laufend „neue E-mail“ und die Kolleginnen sind nicht ansprechbar, weil alle im Gespräch sind.

Freitag 16.05 Uhr: Ich nehme das Modell offline, schalte den Anrufbeantworter ein (damit die Anrufer wenigestens nicht ganz ins Leere laufen) und überlege, was als Nächstes zu tun ist.

Freitag 16.06 Uhr: Noch nichts ganz Böses ahnend, versuche ich mir einen Überblick zu verschaffen.

Freitag 16.08 Uhr: Ich stelle fest, dass ein großer Teil der Bestellungen auch noch außerhalb des Shops eingeht und verliere die Übersicht.

Freitag 16.10 Uhr: Es ist offensichtlich, dass das, was wir gewebt haben und was im Haus ist, sicher nicht reichen wird, um alle Bestellungen auszuliefern.

Freitag 17.00 Uhr: Ich versuche, die Weberei zu erreichen. Wir haben ja noch Leinengarn in dieser Farbe – vorgesehen für das nächste Sondermodell, für das die Kette schon gefertigt ist. Vielleicht können wir umdisponieren. Ich erreiche niemanden.

Freitag 18.00 Uhr. Ausnahmsweise rufe ich den Webmeister auf der privaten Nummer an, ich muss wissen, ob wir noch was drehen können. Ich erreiche ihn nihct

Freitag 20.30 Uhr: Ich komme nach Hause, noch sind längst nicht alle Bestellungen gesichtet (es kommen noch viele außerhalb des „shops“).

Freitag 20.31 Uhr: Ich lese eine E-mail des Webmeistersl, es könnte klappen, wir können das Leinengarn umdisponieren. Anfängliche Verzweiflung weicht einer gewissen Zuversicht.

Samstag 11.00 Uhr: Ich wollte meinen Schreibtisch an einem „ruhigeren“ Tag endlich aufräumen, mache aber weiter, wo ich gestern aufgehört habe: Bestellungen sichten, E-mails zuordnen.

Samstag 12.00 Uhr: Ich lese die schrecklichen Nachrichten aus Japan und stelle fest, das mein Problem nur ein Luxusproblem ist, habe aber weiter keine Zeit, darüber nachzudenken.

Samstag 15.30 Uhr: Ich habe fast alle e-mails gesichtet, Bestellungen geprüft und mir einen Überblick verschafft, was wir brauchen. Übrige offene Fragen hoffe ich mit Hilfe der Mitarbeiterinnen klären zu können. Der Auftragsbearbeitung kann beginnen.

Samstag 15.31 Uhr: Als letzte „Amtshandlung“ schreibe ich eine E-mail mit der ich der Weberei den Bedarf mitteile. Ich muss noch einmal tief durchatmen bevor ich sie losschicke. Ab jetzt heißt es Warten bis Montagmorgen. Dann ist der Färber wieder da, der sagen kann, ob wohl das Kettgarn kurzfristig in der richtigen Farbe zur Verfügung gestellt werden kann (ich gehe davon aus, dass er kann)..

Samstag 15.33 Uhr: Ein Blick auf meinen Schreibtisch, den räume ich dann mal an einem ruhigeren Tag auf. Hilft nichts, Hund geschnappt, auf die Wiese zum Bächle machen, dann nichts wie los, Gäste werden erwartet, der Wein muss noch besorgt werden und der Weinhändler meines Vertrauens schließt um 16 Uhr, Wasser fehlt und Aufschnitt für das Abendbrot, einer der Gäste kommt gleich mit dem Zug und muss abgeholt werden, die Kinder muss ich auch noch einsammeln – das Wochenende beginnt....

Montag 9.25 Uhr: Der Färber sagt eiligen Auftrag zu, in Kürze kann die Kettfertigung beginnen, das Leinengarn wird für die vorhandenen Bestellungen reichen.

Montag 9.30 Uhr: Kurze Frage: Was machen wir jetzt mit der Kette, die schon fest eingeplant ist für das Leinengarn, dass wir jetzt für mehr Pfauen „abgezweigt“ haben? Uns wird was einfallen, womöglich etwas Sensationelles, womöglich wieder ein Modell, das uns aus Händen gerissen wird. Dann werden einige schimpfen, "warum macht ihr nicht gleich mehr". Oder wird’s ein „Ladenhüter“, der trotz kleinerer Auflage Monate im Online-Shop zum Kauf steht?

Wenn wir das immer vorher wüssten, müssten Sie jetzt nicht Verzögerungen bei der Auslieferung von „Pfau Ecru-Leinen“ hinnehmen.

Sollen wir die Sondermodelle lieber ganz lassen? Wäre das eine Option? Niemals nicht! So sehr wir bedauern, dass manche leer ausgehen, ein Modell verpassen, so sehr freuen wir uns aber mit Ihnen über die Begeisterung. Wir freuen uns über Rückmeldungen und es macht großen Spaß, einfach auch einmal etwas auszuprobieren – wie 50% Leinen, das wäre noch vor zehn Jahren ein Ladenhüter gewesen, aber auch Kapok oder Ramie.
Manchmal bedeutet das aber auch, dass wir nur ganz kleine Mengen anfertigen können, viel weniger als nachgefragt wird. Das ist das Risiko, sollten wir darauf in Zukunft lieber verzichten? Dann hätte es ein so schönes Modell wie Lilien Seide nicht gegeben. Das wäre ein Verlust!

DIDYMOS fertigt Tragetücher für jedermann und jedefrau in einer großen Bandbreite von Farben, Mustern und Materialien, die fast immer sofort und in allen Längen lieferbar sind. Das verstehen wir als unsere Kernaufgabe, damit möglichste viele Kinder in den Genuss des Tragens kommen. Darüber hinaus fertigen wir Tragetücher für sogenannte „ATTA“ aus der ganzen Welt, wie sie sich selbst nennen. Diese spornen uns an, sind kritisch und kreativ. Wir erhalten unangefragte Testberichte und eine Fülle von wunderbaren Bildern. Wir lernen in diesem Prozess laufend dazu – so auch, dass es besser sein kann, etwas nicht „anzutwittern“, wenn unser Shop nicht überlastet werden soll.
Und wenn Sie jetzt ein wenig länger warten müssen, dann sehen Sie uns das bitte nach. Unser Ziel ist es, preiswerte Tücher anzubieten, auch weil wir es schade finden, wenn stark limitierte Modelle unmittelbar nach Angebot zu horrenden Preisen weiter verkauft werden; auch deswegen gibt es noch weitere Pfauen Leinen-ecru.

Ich sehe nicht ein, warum wir uns und Ihnen das nicht weiter „antun“ sollten.

Viele Grüße
Tina Hoffmann und das ganze DIDYMOS-Team

PS: Montag 14.51: Ich sitze im ICE auf dem Weg nach Hannover und schreibe diesen Text – ungestört.

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